Karneval in Köln – man liebt ihn oder man hasst ihn. Während die einen Jahr für Jahr Reißaus nehmen und während der tollen Tage in Urlaub fahren, reisen die anderen extra in die Domstadt, um dort den Straßenkarneval zu feiern und den Rosenmontagszug zu bewundern. Doch der Kölsche Karneval lässt sich nicht auf die wenigen Tage zwischen Weiberfastnacht und Rosenmontag beschränken. Die Tradition im Rheinland beinhaltet noch viel, viel mehr.

  1. Jecken feiern am Elften Elften
  2. Die Geschichte des Kölner Dreigestirns
  3. Weiberfastnacht in Köln
  4. Endlich Rosenmontag
  5. Der Nubbel brennt am Aschermittwoch

Start ist der 11.11.

Start einer jeden Karnevalssession in Köln ist schon der Elfte im Elften. Exakt um 11:11 Uhr beginnt an diesem Tag das jecke Treiben. Das Dreigestirn der kommenden Session wird dem Bürgermeister im Rathaus und der Kölner Bevölkerung auf dem Alter Markt vorgestellt. Die großen Karnevalsgesellschaften feiern den Beginn, indem sie gemeinsam mit den Narren die neusten Karnevalslieder anstimmen, neue Kostüme präsentieren und das ein oder andere Kölsch unter die Menschen bringen.

Alle Jahre wieder beginnt der November mit dem Feiertag Allerheiligen, einem Tag, an dem man sich auf Tod und Vergänglichkeit besinnt. Trist und grau passt sich das Wetter diesem Trübsal an. Die Stimmung sinkt. Denkste! Gerade den November haben sich die Narren im Rheinland auserkoren, um ihr mehrere Monate langes Freudenfest – den Karneval – zu feiern. Am Elften im Elften fällt erneut der Startschuss dazu.

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelte sich der 11. November zum festen Datum der Eröffnung der beginnenden Karnevalssession. An diesem Tag wird das designierte Dreigestirn der Öffentlichkeit vorgestellt, die Karnevalsgesellschaften halten erste Feiern ab und die Jecken hören und lernen die neuen Karnevalslieder, damit sie sie dann spätestens an Rosenmontag lauthals mitsingen können.

11.11. auf dem Alter Markt

Die größte Party in Köln veranstaltet am Elften im Elften die Willi-Ostermann-Gesellschaft auf dem Alter Markt. Hier kann jeder mitmachen, egal ob reich, arm, jung, alt, kölsch oder Imi: Da werden die Perücken, Clownsnasen und Schminke aus den Karnevalskisten im Keller geholt und laut und knallbunt ertönt auf den Straßen und Plätzen der Countdown zur neuen Session. Danach ruht der Karneval noch einmal bis Januar.

Das Besondere an der Zahl 11

Warum die Session im Rheinland alljährlich genau am 11. im 11. beginnt, ist teilweise historisch begründet. Zum Beispiel begann exakt an diesem Datum schon im Reich der Westgoten (418-711) eine 56-tägige Fastenzeit. Vorab feierte man ausgiebig. Einem ähnlichen Ablauf folgen heute die Christen, leitet die bunte Karnevalszeit doch auch deren Fastenzeit ein.

Darüber hinaus zieht sich die Zahl Elf seit 1830, dem Jahr, in dem sich das „Festordnende Comité“ in Köln darauf einigte, maximal elf Mitglieder in seinem Rat zuzulassen, wie ein roter Faden durch den gesamten Karneval. Aus besagtem Comité ging das Festkomitee Kölner Karneval hervor, das heute unter anderem den Rosenmontagszug in der Domstadt organisiert – ihm und anderen Kölner Karnevalsgesellschaften sitzt seitdem noch immer ein Elferrat vor, der aus elf Vorstandsmitgliedern einschließlich des Präsidenten besteht.

Und auch symbolisch gewann die Zahl Elf im Laufe der Jahre an Wert. Zum Beispiel steht sie für die Einheit im Karneval – sie stellt die Eins neben die Eins als Zeichen für die Gleichheit aller und verdeutlicht, dass jeder Jeck, egal wie seine Geschichte lautet, eine selbständige und gleichberechtigte Person ist. Zudem steht ELF seit der Französischen Revolution für den Wahlspruch „Egalité, Liberté, Fraternité“, also für Gleichheit, Freiheit und Brüderlichkeit, und diese Deutung ist gerade für das Rheinland, das lange unter französischer Besatzung lebte, maßgebend.

Prinzenproklamation im Januar

Im Januar findet dann die feierliche Prinzenproklamation statt – die Festivität, bei der das Dreigestirn des Vorjahres offiziell verabschiedet und das neue verkündet wird. In der Regel übernimmt diese Aufgabe der Bürgermeister.

In den Tagen und Wochen danach finden überall in Köln in großen Sälen wie in kleinen Sport- oder Stadthallen Karnevalssitzungen und ähnliche Veranstaltungen statt, denen das Dreigestirn nach Möglichkeit beiwohnt. Bis zum Rosenmontag muss es bis zu 400 Auftritte bewältigen. Ob Prunks-, Damen- oder Herrensitzung: In den Nachbarstädten und im Umland ist der Sitzungskarneval ebenso ausgeprägt, nur haben diese meist ein eigenes Dreigestirn – oder zumindest einen eigenen Prinzen.

Im frühen 19. Jahrhundert etablierten die damals verantwortlichen Karnevalisten den Held Karneval. Als personifizierter Karneval sollte dieser jedes Jahr zum Höhepunkt der Feierlichkeiten, am Rosenmontag, seinen Siegeszug durch die Stadt Köln antreten und das „schnöde“ Volksfest mit seinem edlen, dem Kaiser nachempfundenen Gewand und seinem heldenhaften Charakter zu etwas Besonderem machen: Held Karneval rückte als symbolische Figur zunehmend in den Mittelpunkt des jecken Treibens.

In manchen Jahren stellte man dem Held Karneval eine Braut zur Seite, die Prinzessin Venetia, die nicht zufällig an den venezianischen Karneval erinnerte. In Düsseldorf ist es dabei geblieben: Dort begleitet Venetia noch heute ihren Liebsten durch die Session – nur, dass dieser im Volksmund unter einem anderen Namen bekannt ist, denn am Rhein wurde Held Karneval nach dem Krieg 1870/71 zum Prinz Karneval.

Prinz Karneval, Bauer und Jungfrau

Abgesehen vom Titel hat sich im Laufe der Zeit jedoch wenig verändert. Prinz Karneval trägt nach wie vor eine Kopfbedeckung mit Pfauenfedern – diese sind ein Symbol für die Unsterblichkeit. Über dem weißen Gewand mit goldener Kette trägt er einen purpurnen Mantel mit Hermelinkragen, in der Hand hält er eine Pritsche. Damals wie heute ist er die Hauptperson des Rosenmontagszugs und wird von den Jecken gefeiert, wenn er mit dem kostbarsten Wagen als Letzter um die Ecke biegt.

Die Jungfrau symbolisiert die freie, unabhängige Stadt Köln und wird von einem Mann dargestellt, denn beim organisierten Karneval handelt es sich um eine Männerdomäne – auch heute noch. Die traditionsbewussten Karnevalsgesellschaften, die nach wie vor das Dreigestirn stellen, akzeptieren keine weiblichen Mitglieder. Außerdem möchte man die Komik, die eine männliche Jungfrau verbreitet, in Köln nicht missen und so folgt man weiterhin einvernehmlich der Tradition.

Der Bauer ist ebenso eine Symbolfigur. Er stellt Köln als Mitglied der Reichsbauernschaft dar, weil die Domstadt im Mittelalter zu den vier Bauernschaften des Reiches gehörte, und ist Schildhalter der Stadt. Seinen Hut zieren gleich 125 Pfauenfedern: Sie stehen für die Unsterblichkeit der freien Reichsstadt Köln. Immer im Gepäck hat der Bauer einen Dreschflegel, der seine Wehrhaftigkeit symbolisiert.

Dreigestirn seit 1938

So wie auch die Jungfrau war der Bauer früher unabhängig vom Prinzen. Erst ab 1883 sind die beiden feststehende Figuren des Kölner Karnevals, die zwar mit dem Prinz auftreten, aber noch immer getrennt von ihm im Rosenmontagszug fahren. Erst ab 1938 spricht man von einem Dreigestirn.

Weiberfastnacht

Zu den Sitzungen gehen die meisten Narren schon im Kostüm. Richtig bunt wird es aber erst an Weiberfastnacht, dem Tag, an dem der berühmte Straßenkarneval beginnt: Auf den Straßen tummeln sich verkleidete Jecken, von überall ertönt Karnevalsmusik und es wird bis tief in die Nacht gefeiert – von Karnevalsfreitag bis Aschermittwoch.

Weiberfastnacht, in Düsseldorf Altweiber genannt, ist traditionell der Donnerstag vor dem Rosenmontag, dem Höhepunkt jeder Karnevalssession. Schon im Mittelalter, so ist überliefert, feierten die Kölner Klöster an diesem Tag die sogenannte Pfaffenfastnacht, bei der die Brüder und Schwestern mit Kostümen, Wein und Musik tanzten, lachten und feierten – bis die französische Revolutionsarmee unmittelbar nach ihrem Einzug in Köln 1794 alle Klöster auflöste und dem jecken Treiben ein Ende machte.

Feiern auf den Straßen der Stadt

Auf den Straßen der Stadt wurde das Feiern trotzdem nicht eingestellt. Auch die Frauen Kölns, etwa die Marktfrauen auf dem Alter Markt, feierten Weiberfastnacht: Sie rissen sich gegenseitig, wie es bis 1890 Brauch war, die Mützen und Hüte vom Kopf. Dabei ging es darum, dass sie ihre Töchter schnell „unter die Haube bringen“ wollten, sie also entweder endlich verheiraten oder in ein Kloster geben wollten.

Später versuchte man, dem Weiberfastnacht-Donnerstag eine offiziellere Note zu geben, indem man die Flagge des Prinz Karneval auf dem Rathausturm hisste – als Zeichen für die Eröffnung des Straßenkarnevals. Daraus entwickelte sich eine öffentliche Sitzung auf dem Alter Markt in Köln, die heute – nur jetzt auf dem Heumarkt – immer noch Jahr für Jahr veranstaltet wird und zu der regelmäßig so viele Menschen kommen, dass die Polizei die Zugänge zum Platz frühzeitig absperren muss.

Rosenmontag

Am Karnevalssonntag ziehen dabei traditionell die Schull- und Veedelszöch durch Köln, an denen sich nahezu alle Schulen der Domstadt beteiligen. Sie bilden quasi die Vorhut für den größten aller Züge, den Rosenmontagszug. Der setzt sich heute aus rund 8.000 Jecken und 80 Gruppen, teilweise mit Fest- und Prunkwagen, zusammen und braucht für den circa sieben Kilometer langen Weg durch die Stadt mehrere Stunden.

Der „Rosensonntag“ markierte im 16. Jahrhundert die Mitte der Fastenzeit. An diesem Tag wurde das Fasten selbst vonseiten der Kirche aus unterbrochen und nicht nur in Köln wurde ausnahmsweise mal nach Herzenslust gegessen, gesungen und gefeiert. Im rheinischen Sprachgebrauch etablierte sich die Bezeichnung „Rosenmontag“ dann im 19. Jahrhundert für den Montag im Karneval, denn auch sie umschreibt eine Mitte: die der jecken Zeit, die sich damals vor allem auf die Haupttage Sonntag, Montag und Dienstag konzentrierte.

Der erste Rosenmontagszug

Mit dem großen Rosenmontagszug, früher noch als Maskenzug betitelt, entwickelte sich der Rosenmontag, auf kölsch Rusemondaach, zum Höhepunkt der Session. Die älteste Dokumentation eines solchen Maskenzuges datiert auf 1824 zurück: Damals nahmen circa 100 Reiter, vereinzelt Wagen und insgesamt 200 Personen teil. Der Zug stellte sich auf dem Neumarkt auf.

Der Rosenmontagszug wurde ins Leben gerufen, um an die einst freie Reichsstadt Köln zu erinnern. Viele historische Elemente enthält er auch heute noch – etwa den Prinzen, der schon als Held Karneval auf den Kaiser anspielte, dem die Kölner stets treu ergeben waren. Ein Teilnehmer der ersten Stunde sind die Roten Funken, die an die ehemaligen Stadtsoldaten erinnern. Sie waren zunächst eine lose Gruppe, die sich per Zeitungsaufruf zum Rosenmontagszug zusammenfand. Auch die Helligen Knäächte und Mägde, heute eine historische Tanztruppe, nahmen von Anfang an teil. Seit 1949 gibt es Großfiguren im Rosenmontagszug.

40 Tonnen Kamelle und 8.000 Jecken

Heutzutage rollt der Rosenmontagszug mehrere Stunden lang durch Köln und legt dabei knapp sieben Kilometer zurück. Er setzt sich aus etwa 70 Gruppen mit rund 70 Fest- und Prunkwagen, 58 Traktoren und 50 kaschierten Bagagewagen zusammen. Etwa 8.000 Jecken nehmen teil, davon 2.000 Frauen, ungefähr 350 Reiter und 85 Musikkapellen. Um die 40 Tonnen Süßigkeiten, sogenannte Kamelle, werden dem Publikum am Wegrand zugeworfen, zusätzlich jede Menge Strüßjer.

Stets hat der Rosenmontagszug ein bestimmtes Motto, das der Zugleiter traditionell am Karnevalsdienstag für die kommende Session bekannt gibt. Nach diesem Motto werden das Jahr hindurch die Entwürfe für die Wagen und Fußgruppen erstellt.

Aschermittwoch

Am Veilchendienstag wird dann vielerorts der „Nubbel“ unter Tränen verbrannt. Er ist verantwortlich für alle großen und kleinen Sünden, die wir während der Karnevalszeit begangen haben – und nimmt unsere Sünden mit ins Grab. Am Aschermittwoch ist dann alles vorbei.

Der Nubbel hängt während der Karnevalstage über Kneipentüren oder aus Fenstern. Er hat seinen großen Auftritt um Mitternacht am Karnevalsdienstag, an dem er unter großem Wehklagen, das mehr und mehr in wüste Beschimpfungen übergeht, zu Grabe getragen wird. Denn der Nubbel ist Schuld an allen Sünden, die während der jecken Zeit begangen wurden. Er wird stellvertretend für alle verbrannt.

Schuld ist immer der Nubbel

Nubbel ist ein kölscher Begriff, der schon vor der Jahrhundertwende im Sprachgebrauch war. Er wird benutzt, wenn man keine näheren Angaben machen kann oder will, in etwa wie „Tünnes“ oder „Typ“. So ist der Nubbel der Sündenbock, an dem sich die allgemeine Agressivität abreagieren kann. Denn hat man sich am Höhepunkt der Karnevalszeit, am Rosenmontag, noch bützend und schunkelnd in den Armen gelegen, hat man womöglich auch in der ein oder anderen Situation über die Strenge geschlagen – und das muss gesühnt werden. Der Nubbel muss deshalb den Tod durch Verbrennen erleiden.

Am Aschermittwoch ist alles vorbei

Am Aschermittwoch ist dann tatsächlich alles vorbei. Seit dem 7. Jahrhundert beginnt an diesem Tag die Fastenzeit. Büßer bekommen Asche aufs Haupt gestreut oder erhalten ein Aschekreuz auf der Stirn. Der Sinn dessen ist es, dass der Mensch sich nach dem ausgelassenen Feiern wieder auf sich selbst konzentrieren soll – zur Vorbereitung auf die Osterfeiertage.

Die Kölner Karnevalsgesellschaften schließen am Aschermittwoch die Session mit einem traditionellen Fischessen ab. Hier lässt man die vergangenen Veranstaltungen bei einem gemeinsamen Kehraus noch einmal Revue passieren. Manche Gesellschaften begraben intern noch mal den Nubbel und es wird auch noch mal wehmütig.